Übungen und Massnahmen zur Sturzprophylaxe – Wie Sie Stürze im Alltag vorbeugen können
28. Mai 2024
6 min
Sei es draussen im Park oder drinnen in den eigenen vier Wänden – die Sturzgefahr, vor allem für ältere Menschen, ist allgegenwärtig und geht nicht selten auch mit einer belastenden Angst vor einem möglichen Unfall einher. Im Spital Zollikerberg unterstützen verschiedene Expertinnen und Experten abteilungsübergreifend unsere Patientinnen und Patienten bei der Sturzprävention mit verschiedenen Ansätzen. Ihr gemeinsames Ziel: die Gefahr eines Sturzes zu mindern und Menschen dabei helfen, wieder sicher und selbstbewusst unterwegs zu sein.
Der Körper macht nicht mehr mit und es kommt zu einem Sturz. Wie kann ich das vorbeugen? Ein zentraler Punkt stellt die Möglichkeit des Aufbaus einer körperlichen Fitness dar. Darauf soll im weiteren Verlauf des Beitrags auch gebührend eingegangen werden.
Vor allem bei älteren Menschen geschehen die meisten Stürze aufgrund eines Zusammenwirkens verschiedener Faktoren. «Beispielsweise Gangunsicherheit, Kraftlosigkeit, Delirium, Medikamentennebenwirkungen oder fremde Umgebungsfaktoren», erklärt Yeliz Bektas, Diplomierte Pflegefachfrau und Berufsbildnerin in der Akutgeriatrie auf der Privatstation 2 bei uns im Spital Zollikerberg.
Es gibt auch spezielle Gefahrenstellen in den eigenen vier Wänden, bei denen es aufzupassen gilt, da dort die meisten Stürze passieren. Dies sind vor allem das rutschige Badezimmer und die Kanten des Esstisches. Im Alltag gilt es deshalb, sich so gut es geht abzusichern und Stürze zu vermeiden.
Wie das geht? Das eigene Heim kann optimal gestaltet werden, indem auf erhöhte Türschwellen und eine angepasste Beleuchtung geachtet wird. Teppichbrücken sollten auf jeden Fall vermieden werden. Teppiche an sich seien aber eine gute Sache, da sie im Falle eines Sturzes den Aufprall auf den Boden abfedern können, so Yeliz Bektas.
Zudem kann sich eine Person ebenfalls gegen einen Sturz wappnen, indem sie beispielsweise durch gute Einstellungen von Medikamenten unerwünschte Nebenwirkungen minimieren kann, durch Physiotherapie, auf die später im Beitrag noch eingegangen wird, und durch das Tragen eines sicheren Schuhwerks in der Wohnung. Yeliz Bektas rät dabei von Antirutschsocken ab, da diese ihrer Erfahrung nach sogar eher zu einem Sturzrisiko werden können. «Es ist ratsamer, die Antirutschsocken durch normale ´Finken´ zu ersetzen. Das machen wir hier im Spital auch so und kontrollieren auch das Schuhwerk unserer Patientinnen und Patienten, wenn sie sich nicht schon von selbst melden.» Auch Hilfsmittel, die vor allem ältere Menschen benötigen, sollen regelmässig angepasst und optimiert eingestellt sein. Dazu gehören zum Beispiel Brillen, Hörgeräte und diverse Gehhilfen. Jedes dieser Hilfsmittel kann enorme Unterstützung bei der Gangsicherheit leisten, da es die Orientierung der Person fördert.
«Als zusätzliche Hilfeleistung für unsere Patientinnen und Patienten im Spital, gibt es je nach Einschätzung und Bedarf in den Zimmern zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen sowie Bodenmatten, Sitzkissen und eine Alarmkante», sagt Yeliz Bektas. Ausserdem können sich Patientinnen und Patienten bei Unsicherheiten jederzeit über die Rufglocke beim Pflegepersonal melden, diese wird täglich durch drei verschiedene Dienste kontrolliert, damit sie rund um die Uhr funktioniert.
Eine wichtige Rolle, wenn es um das Verhindern und Vorbeugen von Stürzen geht, spielt auch die richtige Ernährung. Zentrale Risiken für Stürze sind nämlich Flüssigkeitsmangel und eine ungenügende Ernährung. Unsere Ernährungsberaterinnen im Spital Zollikerberg beschreiben hierzu die alarmierenden Anzeichen: «Ein Flüssigkeitsmangel zeigt sich zu Beginn mit einem einfachen Durstgefühl, kann sich dann aber zu Verwirrtheit steigern und von Kopfschmerzen bis hin zur Abnahme der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit führen.»
Das verminderte Durstgefühl im Alter, Vergesslichkeit oder absichtliche Einschränkung der oralen Flüssigkeitsaufnahme zur Reduktion der Toilettengänge tragen zusätzlich zum Risiko des Flüssigkeitsmangels bei und begünstigen somit ein Sturzrisiko. Unsere Ernährungsberaterinnen empfehlen deshalb den Konsum von optimal eineinhalb Litern ungesüsster Getränke. Schwitzen oder Hitze erhöhen den Flüssigkeitsbedarf und sollten demnach mit einer höheren Trinkmenge ausgeglichen werden.
Auch eine Mangelernährung, insbesondere ein Mangel an Energie, Protein und Vitamin D kann neben der natürlichen altersbedingten Abnahme der Muskelmasse zu zusätzlichen funktionellen Einbussen der Gliedmassen führen und stellt damit ein erhöhtes Sturzrisiko dar. Diese Gefahr kann mit einer bedarfsdeckenden Energie- und Proteinaufnahme reduziert werden, wodurch die Muskelmasse und die Kraft, auch in den Beinen, bestmöglich unterstützt werden. Im Alter sinkt nämlich zwar der Energiebedarf, jedoch bleibt der Vitamin- und Mineralstoffbedarf gleich. Der Proteinbedarf (Eiweissbedarf) ist sogar erhöht.
Unsere Ernährungsberaterinnen empfehlen daher: «Greifen Sie auf nährstoffreiche Lebensmittel zurück. Proteinreiche, vitamin- und mineralstoffreiche Komponenten sollen bevorzugt werden. Zucker-, fett- und alkoholreiche Komponenten werden reduziert. Daher unbedingt täglich Obst, Gemüse und Stärkebeilagen wie Vollkornbrot, Kartoffeln, Teigwaren und Polenta nebst Proteinen einbauen. Obst und Gemüse können sowohl in frischer wie auch in tiefgekühlter Varianten verarbeitet werden.»
Um den erhöhten Proteinbedarf zu decken, empfiehlt sich zu jeder Hauptmahlzeit einen Proteinlieferanten einzubauen, wie beispielsweise Milchprodukte (z.B Käse oder Quark), Eier, Fleisch, Fisch oder pflanzliche Varianten wie Hülsenfrüchte (z.B Linsen, Kichererbsen, rote Bohnen), Soja in Form von Tofu. Zusätzlich braucht es eine weitere Portion pro Tag, welche als Zwischen- oder Spätmahlzeit eingebaut werden kann. Eine solche wäre zum Beispiel ein Stück Brot mit Trockenfleisch oder Früchte mit einem Joghurt und Nüssen.
Um die Knochen und Muskeln auch im Alter optimal zu unterstützen, ist auch eine ausreichende Aufnahme von Kalzium und Vitamin D wichtig. Ein Vitamin D Mangel ist aufgrund der unzureichenden Sonnenintensität in den Wintermonaten und der reduzierten Fähigkeit der körpereigenen Produktion jedoch möglich. Ebenso reduziert oder verunmöglicht ein hoher Sonnenschutz (Creme) die eigene Vitamin D Produktion. Hier können auch Nahrungsergänzungsmittel in Betracht gezogen werden, wie unsere Ernährungsberaterinnen erklären: «Empfohlen werden täglich 20 Mikrogramm (800 IE) Vitamin D pro Tag. Besprechen Sie eine solche Vitamin D Substitution mit Ihrem Arzt.»
Mit einer solchen reichhaltigen Ernährung kann also der eingeschränkten Bewegungsfreiheit und auch der fehlenden Muskelkraft, die grosse Risiken für Stürze darstellen, entgegengewirkt werden. Ein weiterer Weg, solche körperlichen Risikofaktoren zu hemmen, stellt auch das aktive Training und der Aufbau einer körperlichen Fitness dar. Hier sind die Therapeutinnen und Therapeuten unseres Therapie-Zentrums die richtigen Ansprechpersonen. Sie bieten eine Vielzahl an Programmen an, die für die Sturzprophylaxe relevant sind.
Für aktive Personen ab 50 Jahren bieten sie beispielsweise jeden Dienstag eine «Evergreen»-Gruppe an. «In diesem Kurs werden in einem Ganzkörpertraining sowohl die Muskelkraft als auch das Gleichgewicht trainiert», erklärt Tanja Andres, Physiotherapeutin in unserem Therapie-Zentrum. Eine Teilnahme an diesem Kurs erfordert jedoch bereits eine gewisse Grundfitness, da ein grosser Teil der Übungen am Boden durchgeführt wird.
Älteren Personen mit einer etwas weniger ausgeprägten Mobilität empfiehlt Tanja Andres das gut eingerichtete hauseigene Fitnessstudio, um die Muskeln mittels Kraftübungen an den Geräten zu trainieren. Natürlich werden Besucherinnen und Besucher dort nicht allein gelassen: «Die Einführung in die Benutzung der Geräte und auch die Betreuung während der Durchführung der Übungen erfolgt durch unser Fachpersonal», sagt Tanja Andres. Diese Expertinnen und Experten können bei Bedarf auch gezielt auf Gangunsicherheiten eingehen und Übungen zeigen, die dann angewendet werden können. Häufig braucht es eine spezifische Kräftigung der unteren Extremitäten, da diese beim Stolpern die entscheidende Rolle spielen.
Falls es Personen gibt, die die Geräte nicht mehr eigenständig bedienen können, bietet das Therapie-Zentrum auch begleitete Trainingsgruppen an. «Sind bei einer Person sehr starke Gangunsicherheiten vorhanden, ist eine physiotherapeutische Verordnung zum gezielten, individuell betreuten Training hilfreich. Dies sollte jedoch im Vorhinein mit dem Hausarzt oder der Hausärztin abgesprochen werden», betont unsere Physiotherapeutin.
Kursangebot Evergreen 50+
In unserem Evergreen-Kurs bieten wir Ganzkörpertraining für aktive Menschen ab 50 Jahren an. Durch Kräftigungs- und Dehnübungen für die Muskulatur, Mobilisations- und Gleichgewichtsübungen sowie Ausdauertraining fördern wir das körperliche Wohlbefinden und den Erhalt der Gelenkbeweglichkeit.
Vor allem für ein optimales, an die individuellen Bedürfnisse angepasstes Training ist es wichtig, in einem ersten Schritt einen Befund zu erstellen, um die spezifischen Schwierigkeiten zu identifizieren. «Dazu haben wir feste Tests und Skalen, mit deren Hilfe wir Gleichgewicht und Gangsicherheit testen können», führt Tanja Andres aus.
Beispiele dafür sind die Berg Balance Scale (BBS), die den Gleichgewichtssinn mittels 14 kurzer praktischer Tests feststellt, oder das Functional Gait Assessment (FGA), das die Gangsicherheit beurteilt. Aber welche Systeme im Körper sind überhaupt für das Gleichgewicht entscheidend? «Davon gibt es drei. Das erste ist der Visus, der Sehsinn, das zweite das Gleichgewichtsorgan im Innenohr (Vestibularsystem) und das dritte die Informationen aus den einzelnen Gelenken und Oberflächenrezeptoren des ganzen Körpers (Somatosensorik)», erklärt sie.
Normalerweise nutzen wir Menschen im ruhigen Stand etwa 70 Prozent somatosensorische, 20 Prozent vestibuläre und 10 Prozent visuelle Informationen für das Gleichgewicht. Bei Erkrankungen wie beispielsweise Polyneuropathie, einer Krankheit, bei der die Reizweiterleitung im Körper gestört ist, kann sich diese Gewichtung jedoch verschieben und somit zu Unsicherheiten beim Gehen oder Stehen führen. Auch hierfür gibt es einen Test namens Clinical Test for Sensory Interaction in Balance (CTSIB), der solche Veränderungen genau messen kann.
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Allgemeine Programme ohne spezifische Anpassungen für die jeweilige Person sind in solchen Situationen nicht sinnvoll und verhindern auch Stürze nur bedingt. Da vor allem im Alter die Muskelkraft generell abnimmt, sind Kräftigungsübungen jedoch fast immer ein Teil der Sturzprophylaxe. Welche Übungen genau gemacht werden, das erarbeiten die Therapeutinnen und Therapeuten jeweils mit den Patientinnen und Patienten. Auch ein Bodentraining unter therapeutischer Anleitung, bei welchem das Hinlegen und Aufstehen trainiert wird, kann sinnvoll sein. Es kann die Angst vor dem Sturz und vor Aufgaben wie dem Aufheben von Gegenständen am Boden mindern.
Eine wichtige Ergänzung zum Training in den Kursen, im Fitnessstudio oder in der Einzeltherapie bei uns im Therapie-Zentrum stellen Übungen für zu Hause dar. Dies sind meistens Kräftigungs- oder Gleichgewichtsübungen. «Der behandelnde Therapeut oder die behandelnde Therapeutin stellt diese Übungen und auch deren Dosierung jeweils zusammen und passt die Schwierigkeit dem Niveau der Patientin oder des Patienten an», so Tanja Andres.
Zur Minimierung der Stolpergefahr im Alltag zu Hause hat Tanja Andres weitere Tipps: Man sollte ein gutes Licht installieren, Teppiche entfernen und auch in der Wohnung ein geeignetes Schuhwerk tragen. Bei Bedarf ist auch ein Hilfsmittel sinnvoll, hierbei kann man sich von dem oder der behandelnden Physiotherapeut oder -therapeutin beraten lassen. Ein Notrufknopf kann ebenfalls sinnvoll sein, falls es trotz allem einmal zu einem Sturz kommen sollte. «Schlussendlich sind auch regelmässige Überprüfungen von Sehhilfen wie Brillen oder Kontaktlinsen wichtig, da auch Sehprobleme zu Stürzen führen können», betont die Physiotherapeutin.
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